Nach §2 des Berliner Schulgesetzes und nach den UN-Kinderrechtskonventionen haben alle Kinder, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, das Recht eine Grund- oder weiterführende Schule zu besuchen. Die Schulen und andere die Bildung betreffende Institutionen sind explizit von der Übermittlungspflicht an die Ausländerbehörde ausgenommen, um einen niedrigschwelligen Zugang zu gewährleisten.
Dennoch wird dieses Recht häufig nicht umgesetzt.
Da die Schulämter die primären Ansprechpartner bei der Neuanmeldung eines Kindes sind, haben wir 2019 und 2021 eine Telephonumfrage bei den Schulämtern der 12 Bezirke gemacht. Zunächst gaben wir uns als Bekannte einer illegalisierten Familie aus und baten um Hilfe bei der Einschulung eines fiktiven Geschwisterpärchens, bestehend aus je einem Grundschulkind und einem Teenager, der die weiterführende Schule besuchen sollte. Im zweiten Durchlauf gaben wir an, für Solidarity City zu arbeiten und erfragten die Standardprozedur für einen solchen oben beschriebenen Fall.
Von den 12 Bezirken waren 2019 im ersten Durchlauf
- 1 ambivalent
- 4 offen bzw informiert über das Schulbesuchsrecht
- 8 mangelhaft informiert
- 6 verweigerten die Zusammenarbeit
- (in einem Bezirk verweigerte sogar ein Mitarbeiter die Zusammenarbeit, währen ein anderer, der unter der selben Nummer erreichbar war, offen und informiert kooperieren wollte)
Von den 12 Bezirken waren 2019 im zweiten Durchlauf
- 1 ambivalent
- 6 offen und informiert über das Schulbesuchsrecht
- 2 mangelhaft informiert
- 2 verweigerten die Zusammenarbeit
- 2 verwiesen auf Vorgesetzte, welche nicht erreichbar waren
2021 waren von den 12 Bezirken im ersten Durchlauf
- 3 ambivalent
- 5 offen, aber nur 3 informiert über das Schulbesuchsrecht
- 9 mangelhaft informiert
- 4 verweigerten die Zusammenarbeit
Im zweiten Durchlauf waren von den 12 Bezirken
- 1 ambivalent
- 7 offen und informiert über das Schulbesuchsrecht
- 5 mangelhaft informiert
- 2 verweigerten die Zusammenarbeit
- 2 verwiesen auf Vorgesetzte, welche nicht erreichbar waren
In beiden Durchläufen waren vielen davon gleichzeitig mangelhaft informiert und verweigerten daraufhin die Zusammenarbeit. Auch in den ambivalenten und teilweise sogar in den kooperativen Fällen waren deutliche Wissenslücken bemerkbar, einer zB erwähnte selbst das Recht auf Schulbesuch, bestand aber aus versicherungstechnischen Gründen auf eine polizeiliche Anmeldung. Diese ist ohne Aufenthaltstitel natürlich unerreichbar.
Ein anderer Mitarbeiter sagte, obwohl Schulen explizit keine Meldepflicht der Ausländerbehörde gegenüber haben: “Sollte sich das Kind verletzen, müssen wir das allerdings dem Landesamt für Flüchtlinge melden.” Dafür bestehen keinerlei juristische Gründe.
Dazu kommen – obwohl der Interviewer klar gestellt hatte, dass die fiktiven Kinder bereits gut deutsch sprechen – Überlegungen wie Folgende:
“Theoretisch könnte es auch in eine Regelklasse gehen, aber wenn es unklar ist, wie lange es belibt, dann doch besser Willkommensklasse, damit das nicht zu viel Unruhe in die Klassen bringt.”
Generell waren die Mitarbeiter kooperativer im zweiten Durchlauf. Für die Kinder im ersten Durchlauf 2019 wären in nur 3 Bezirken ein Schulbesuch definitiv problemlos möglich gewesen. Im zweiten Durchlauf 2019 wären dies immerhin in 5 Bezirken der Fall gewesen.
Dabei handelt es sich trotzdem um noch nicht mal 50%.
Nur wenig veränderte sich, wenn man die Resultate von 2019 und 2021 vergleicht. Zwar wären 2021 schon im ersten Durchlauf 50% der Kinder zur Schule gegangen; zudem legten die Mitarbeiter im zweiten Durchlauf 2021 mehr Wert darauf, sich korrekt zu informieren und die Fragen ggf zu einem späteren Zeitpunkt nach Recherche zu beantworten. Doch auch dann hätten die Kinder nur in 8 Bezirken zur Schule gehen können.
Zudem fand in den Interviews immer wieder Erwähnung, dass auf Grund der Pandemiesituation die Umstände an den Schulen sich verschlechtert hätten, zB gäbe es einen Rückstau in den Willkommensklassen, der die Aufnahme neuer Kinder zusätzlich auf lange Zeit unmöglich mache.
Wir fordern die Senatsverwaltung für Bildung und die Berliner Politiker jetzt und hier auf, das Recht auf Bildung sofort in die Praxis umzusetzen! Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung unabhängig vom Aufenthaltsstatus.
Darüberhinaus fordern wir die Berliner Regierung im Rahmen der Kampagne Legalisierung jetzt! auf, alle auf dem Berliner Stadtgebiet lebenden Illegalisierten mit den bereits existenten juristischen Mitteln zu legalisieren. Mit den Paragraphen 23a und 23(1) gibt es Mittel, welche dies auf Landesebene ermöglichen und bereits für andere Gruppierungen erfolgreich genutzt wurden. Ein Verweis darauf, dass dies angeblich Belange auf Bundesebene seien, wie zB von Innensenator Geisel im Oktober 2020 geäußert, stellt demnach lediglich fehlenden politischen Willen dar, die unmittelbare Legalisierung aller in Berlin lebenden Illegalisierten in die Praxis umzusetzen.
Bildung für alle!
Abschaffung der Übermittlungspflicht in allen Bereichen!
Legalisierung jetzt!