Von Ber­lin nach Ham­burg: We’ll Come United

Gegen die Lügen!

Die Geschich­ten, die uns jeden Tag ver­kün­det wer­den, sind nicht zu ertra­gen. Sie sind eine Belei­di­gung und sie sind gelo­gen. Es wird gesagt, das Pro­blem sind Geflüch­te­te, wäh­rend sie im Mit­tel­meer ertrin­ken. Es wird gesagt, dass die Gren­zen der Inte­gra­ti­ons­fä­hig­keit erreicht sind, wäh­rend ein ras­sis­ti­scher Mob völ­lig unge­niert im Bun­des­tag und auf der Stra­ße tobt. Es wird aus­ge­rech­net, dass die „Kos­ten der Inte­gra­ti­on“ stei­gen, wäh­rend uns Sprach­kur­se und Arbeit ver­wei­gert und Unsum­men für Abschie­be­bü­ro­kra­tie und Schi­ka­nen aus­ge­ge­ben wer­den. Es wird von Gewalt gere­det – und wäh­rend­des­sen wer­den Kin­der aus ihren Bet­ten und Schul­klas­sen ent­führt, um sie in völ­lig frem­de Län­der abzu­schie­ben.

Es ist leicht uns zu beschimp­fen und aus­zu­schlie­ßen, denn vie­le von uns sind sowie­so ganz unten. Wir sind vor Krieg, Hun­ger, Armut und Elend geflo­hen. Vie­le von uns kamen, weil der glo­ba­le Kapi­ta­lis­mus unse­re Leben zer­stört hat. Unse­re Fami­li­en dür­fen nicht kom­men, weil unse­re Lie­be und unse­re Sehn­sucht hier nichts bedeu­ten. Die Regie­rung will die Gren­zen schlie­ßen und uns in neue Lager ste­cken. Wir wol­len ganz sicher kein Mit­leid, wir sind Men­schen, kei­ne Opfer. Aber wir sagen: Hier zeigt sich, wie demo­kra­tisch die­se Demo­kra­tie ist. Nicht die Boo­te auf dem Mit­tel­meer sind eine Gefahr für uns alle, son­dern der in ganz Euro­pa toben­de und mor­den­de Ras­sis­mus.

Das Pro­blem heißt Ras­sis­mus!

Im Jahr 2017 sind über 3.000 Men­schen auf dem Mit­tel­meer gestor­ben oder ver­schwun­den, weil sie Euro­pa errei­chen woll­ten. Ihr Tod war nur eine Kurz­nach­richt wert. Die Namen der Toten blei­ben unge­nannt. In Deutsch­land wur­den im glei­chen Zeit­raum 2.200 Angrif­fe auf Unter­künf­te von Geflüch­te­ten gezählt. 180 Mal wur­den soli­da­ri­sche Helfer*innen ange­grif­fen. 950 Mal traf es Mus­li­me und mus­li­mi­sche Ein­rich­tun­gen. 1.453 anti­se­mi­ti­sche Straf­ta­ten wur­den regis­triert. Über 5,5 Mil­lio­nen Wahl­be­rech­tig­te wähl­ten bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl die offen ras­sis­ti­sche AfD. Und wir haben den NSU noch lan­ge nicht ver­ges­sen, der jah­re­lang unbe­hel­ligt mor­den konn­te.

Dar­an den­ken wir, wenn gesagt wird, Deutsch­land wer­de immer gefähr­li­cher. Denn mal ehr­lich: Wer sitzt in den Unter­künf­ten und hört, wenn nachts die Schei­ben klir­ren? Wer wird auf der Aus­län­der­be­hör­de schi­ka­niert? Wer wird in ille­ga­len Jobs und in unbe­zahl­ten Prak­ti­ka aus­ge­beu­tet? Wer putzt die Tel­ler, die Toi­let­ten und die Eigen­hei­me? Wer lebt und arbei­tet seit Jahr­zehn­ten hier und bleibt doch immer nur „Gast“? Nein, für uns geht kei­ne hei­le Welt unter, weil die AfD jetzt mit 13% im Bun­des­tag sitzt.

Die Wahr­heit geht anders!

Wir ste­hen jetzt auf. Erneut und nicht zum letz­ten Mal. Gegen die­sen ras­sis­ti­schen Irr­sinn, gegen die­se ver­dreh­te Welt, gegen die­se herz­lo­se Hei­mat, gegen die ein­ge­mau­er­te Gemein­schaft, gegen die Poli­tik der Aus­gren­zung. Wir tren­nen uns nicht und las­sen uns nicht spal­ten. Ob „Deut­scher“ oder „Aus­län­der“, ob „Flücht­ling“ oder „Sach­se“, ob aus Dort­mund oder Damas­kus, ob aus Afrin oder Athen, ob aus Kabul oder Kas­sel: Das ist uns schon lan­ge egal. Es geht um uns alle. Es geht dar­um, wie und in wel­cher Gesell­schaft wir mit­ein­an­der leben wol­len.

Wir haben längst ange­fan­gen, eine ande­re Welt zu bau­en. Wir haben bei uns begon­nen. Unse­re Türen ste­hen offen. Egal woher wir kom­men, wir ken­nen ein­an­der, wir haben unse­re Tele­fon­num­mern, wir sind leben­di­ge Anlauf­stel­len, sind alle längst Expert*innen und Freund*innen gewor­den. Mit jeder gemein­sam erle­dig­ten Auf­ga­be und durch gegen­sei­ti­ge Hil­fe sam­meln wir neue Stär­ke. Ob bei der Behör­de, auf dem Ret­tungs­boot im Mit­tel­meer, beim Job­cen­ter, bei der Woh­nungs­be­sich­ti­gung oder in der Schu­le. Wir wer­den nicht auf­hö­ren, alte und neue Macht­struk­tu­ren und das welt­wei­te Sys­tem des Kolo­nia­lis­mus zu bekämp­fen. Wir ver­tei­di­gen unse­re Kör­per und unse­re Wür­de – gegen Sexis­mus, Ras­sis­mus und jede Art von Gewalt!

Gren­zen ein­rei­ßen!

Was wir mit­ein­an­der erle­ben, ist wich­tig und groß. „Wel­co­me United“ in Ber­lin im Sep­tem­ber 2017 war ein Fest und ein Anfang. Wir haben für unse­re Stim­me und unse­re Rech­te demons­triert, aber viel wich­ti­ger noch – wir haben uns selbst neu gefun­den: Wer und wie vie­le wir sein kön­nen. Und wir haben gezeigt, dass wir Städ­te und Vier­tel, unse­re Freund*innen und Nach­barn, Gren­zen und Hori­zon­te bewe­gen kön­nen. Lasst uns wei­ter­ma­chen und neu begin­nen. Kei­ne Angst mehr. Kei­ne Schreckstar­re. Kein Allein­sein. Kei­ne Unter­wür­fig­keit. Wir gehen auf die Stra­ße, weil wir eine Zukunft wol­len. Eine Zukunft für alle.

Dar­um wol­len wir uns wie­der ver­sam­meln: zu einer gro­ßen Para­de des Anti­ras­sis­mus und der Soli­da­ri­tät in Ham­burg. Es mag die Zeit des Ego­is­mus, der Käl­te und des Ras­sis­mus sein. Es mag schö­ne­re Zei­ten geben, aber die­se ist unse­re. Das, was jetzt pas­sie­ren muss, hat längst begon­nen. Wir sind vie­le – und viel mehr, als wir den­ken.

Wir rufen auf zur bun­des­wei­ten Demons­tra­ti­on am 29. Sep­tem­ber in Ham­burg.

Kommt alle zur Para­de für Teil­ha­be, glei­che Rech­te und Soli­da­ri­tät

We’ll Come United!